Seiten

Sonntag, 13. Juni 2010

Vorbereitung V

Am Samstag, 12. Juni 2010 entschied ich, eine weitere Testwanderung anzugehen.
Strecke ab Wohnung in Zürich, wie gewohnt und Ziel Jestetten, in Deutschland, Nähe Schaffhausen. Distanz Luftlinie: 30 km. Klima: Bedeckt, eher schwül, 22 Grad Celsius.


















Um etwa neun Uhr in der Früh lief ich los. Als Regel habe ich mir gesteckt, dass ich bei jedem Brunnen am Weg trinken werde, falls nichts geht, halt nur einen Schluck. Somit hatte ich schon nach wenigen hundert Meter meinen ersten Trinkstopp. Hier.


















Das Beste an Zürich sind die deutlich gelb markierten Wanderwege mit von Weitem klar ersichtlichen Landmarken.























Wenn ich mich recht erinnere, haben in den späten Neunzehnneunzigern in dieser stillgelegten  Unterführung noch Parties statt gefunden, worauf die Absperrungen verstärkt wurden.
Reclaim the Streets, sagten sich darauf die Pflanzen.


















Eine kleines Stück Italianatà Mitten an der Einfallsachse zu Zürich. Ich finde es aussergewöhnlich, dass Kaffee geschrieben werden darf, wie man will, hauptsächlich vorne ein Kratzlaut, dann irgend ein A, darauf irgend ein fisbeliger Laut, darauf eine willkürliche Anzahl, ebenso gewählte Es oder gar Is, und schon stimmt es in irgend einer Sprache der Welt.
Beispiel: Finnisch: Kahvi...


















Zwei Triumpfbögen der Schallbekämpfungsmassnahmen - dabei wäre es doch einfacher, nicht mehr Auto zu fahren... echt wahr: am stillsten Ort meiner Wanderungen konnte ich immer noch mindestens ein Auto hören, falls nicht gerade ein Flugzeug über mich hinweg flog.
Kein Scherz: ich frage mich öfters, was so viele Leute immer rumzufahren haben, auf dem kleinsten Landweg kreuzen einen noch Autos.


















Denen ist das aber egal.


















Ja, herzig, nicht?
Erstens ist es äusserst schwierig, in einem Satz eine tragfähige Aussage zu machen, zweitens, wenn dies weiter gedacht wird, im Sinne von: meinen wir alle die selbe Welt? Wer setzt seine Version durch? Mit welchen Mitteln? Und dann kommt doch alles anders raus wie erdacht.
Ich lief weiter und pfiff einen vulgär-philosophischen Song:
Que sera, sera. What ever will be will be
the future's not ours to see.
Und ich glaube mit ganzen Herzen daran, dass es auch besser so ist.


















Danach kehrte ich dann in einem Wandererstübli ein, um mich mit dem nötigen Proviant für den Tag zu versehen. Eindrücklich auch, welche Art von Mitbürgern am Samstag Morgen um 10 schon einkaufen geht.


















Das wäre also meine vorgesehene Wegzehrung gewesen - kam dann alles irgendwie anders.
Die Molke trank ich auf dem Weg, das Sandwich ass ich im Zug auf der Rückfahrt, das Schoggistängeli abends vor dem Fernseher, und die Bananen harren noch ihrem Schicksal.

























Noch eine Weise, wie Kaffee gechrieben werden könnte, aber definitiv der Stilsieger des Tages.























Am allererstaunlichsten ist aber dieser Helvetismus. Es wird zwar gesagt: "s'Kafi" aber geschrieben steht "Tea Room".



Von Aussen ganz unscheinbar, aber die Stammkneipe der UBS-Bankendirektoren.























Überhaupt habe ich den Eindruck, dass sich in Seebach ein äusserst feines Gefühl für wohl platzierte Grossbeschriftungen entwickelt hat.


















Pünktlich zur WM in Südafrika auch das längst erwartete Derby-Spiel FC Seebach Eagles I gegen die Erste Mannschaft SV Glattbrugg Flyers... die Resultate können dann in der Quartierzeitung nachgelesen werden.


















Wurde der erste Wegweiser noch innert Wochenfrist geklaut, hält sich nun der zweite schon weit über ein Jahr, dank vollständiger Bemalung mit besänftigendem Baker-Miller-Pink.


















Am Siedlungsrand von Seebach kündigt ein wetterseitig eingeschindeltes Bauernhaus den Beginn der Ostschweiz an.























Na wer sagt's den! So leben's, die Ostschweizer!


















Dann ist sie da, die Ostschweiz, wie man sich diese typisch vorstellt.


















Und 50 Meter weiter, Blick zurück auf das selbe Gehölz, die Ostschweiz, wie sie sich typisch gibt.


















Wie bitte? Ne, Flughafen Zürich, nicht Berlin.


















Die Tempelhoferinnen.



















Rümlang, ein guter Ort, um startende Kleinflugzeuge von unten zu betrachten - interessiert nur kaum jemanden.



















Ich wich da von meiner geplanten Strecke ab, da, wie ich ganz richtig vermutete, am begradigten Glattkanal mit geringer Leistung am schnellsten Wegstrecke hinter mich brachte. Glücklicherweise handelte es sich gar noch um ein Biotop, was das Gehen optisch aufwertete.


















Zum Beispiel durch den Anblick dieser wunderschönen Libelle. Englisch: Dragonfly, ziemlich cooler Name für ein Insekt... könnten sich die Jungs vom FC Seebach vielleicht merken.























Habe ich oben noch behauptet, das kurze Aussagesätze schon stark problembehaftet sind, muss ich das wohl revidieren, nehmen sich diese ohne Ausschweifungen direkt den existenten Problemen an, scheinen sie zu klappen:
"Kein Dach ohne Ungemach" - aber Bravo!



























Ostschweiz!
Die beiden hellen Punkte über der Bergspitze sind nicht Staub auf der Linse, sondern Flugzeuge mit eingeschaltenen Scheinwerfer, in der Warteschlaufe.

















Im Gegensatz zu startenden Kleinflugzeugen scheinen landende Jumbos die Massen zu begeistern. Da vorne rechts holte ich mir ein selbstgemachtes Malaga-Eis, empfehlenswert.


















Die Massen waren zu der Tageszeit eher beim Wurststand anzutreffen.























Wenn's den so toll ist, also hier: Anflug






















Somit: Oberglatt, super Ort um landende Flugzeuge von unten anzuschauen.


















Unter anderem geht man ja auch auf's Land, um da Sachen zu sehen, die es in den Zentren nicht gibt. Gute Kunst zum Beispiel.























In der Stadt ist das Problem bekannt, das Kleidung für Anlässe 'overdressed' sein könnte. Als ich diese beiden Wandervögel sah, kam ich mir wiederum 'overequiped' vor.
Vor den eigenen Neurosen kann offensichtlich nicht davongelaufen werden.


















Im Altstädchen von Bülach kam ich ganz überraschend zu meinem Wanderlunch. Frisch gegrillte Schweinsbratwurst vom Metzger Angst. War passabel. Die Ostschweizer rühmen sich aber, die besten Metzger der Schweiz zu sein, deswegen müsste die Wertung "passabel" zu einem "essbar" gesenkt werden.























Dieses Haus wurde hälftig von der UBS gekauft, weswegen diese Hälfte zum Tresor im Nadelstreifenanzug umgebaut wurde.























Hier konnte jemand seine Abgrenzungsträume voll ausleben.


















Eine Begeisterung, welche gar die Gemeinde ansteckte.























Am Ort der höchsten Dichte konnte ich drei Abgrenzungen hinter einander zählen.
Abgesperrt meint abgesperrt, sagten sie sich.


















Ein bisschen erschreckt bin ich nachwievor über dieses orakelhafte Wandgemälde, welches in wenigen Strichen meine ganzen Reisen wiedergibt. Besonders beunruhigend: die Abwärtsspirale.


















Wegen einem Indiz auf meiner Karte änderte ich dann meinen geplanten Weg schon zum zweiten Mal heute, ich ging zur Tössegg. Mit Abstand die schönste Etappe dieses Tages.


















Fast ein wenig nicht von dieser Welt mutet das Rheinknie am Tösseinfluss mit all den Schwänen an.
(Ich habe es einmal nicht fotografiert, aber natürlich gibt es auch hier ein Ausflugsrestaurant mit zugehörigem Riesenparkplatz. Weswegen ich mal wieder der einzige war, welcher nicht frisch geduscht auf dem Set erschien).


















Und ich habe mich bei der Karte tatsächlich nicht getäuscht: wenn von zwei Uferseiten Wege am gleichen Ort am Fluss enden, ohne Brücke dazwischen, dann gibt es da eine Fährverbindung. Für nur CHF 3.50 habe ich etwa 5 km Fussmarsch gespart und dies fast genau auf der Luftlinie der Wanderung.


















Gemütlich, nicht?


















So schön schaut im Rückblick ein Weg aus, welchen man selber nicht gegangen ist.























Einigermassen erstaunt war ich über das ausgeprägte Selbstvertrauen des lokalen Bibers. Sein Unterbewusstsein sprach ihm wohl ein, dass er diesen Bach noch ein bisschen aufstauen könnte.























Wunderbar, smaragdgrün in grün.























Ein Wanderertraum wird wahr.























Ich gab mich der Illussion hin, dass ich hiermit einen Geheimtipp gefunden hätte, bis zu dem Moment, als ich auf diesen Bagger stiess, er scheint den Weg für den Massentourismus bereit zu machen.























Beim Dörfchen Rüdlingen trat ich wieder in der bewohnten Welt ein. Gleich beim ersten Anblick würde ich sagen: 500 Punkte bei der nach unten offenen Bewertungsskala für perfekt inszeniertes Altwiebersummerbänkli-Environment. Fehlen nur noch die gecasteten Besitzer.


















Auch sonst lassen sie sich hier nicht lumpen. Das ist ein Dorfbrunnen!
Beim Trinken bin ich fast vor Schreck rein gefallen, als ich bemerkt habe, dass darin gelebt wird.























Noch eine andere Aussage, welche an Häuser geschrieben werden darf, ohne unangenehmen Beigeschmack.


















Dann betrat ich Deutschland - ich habe es ja immer schon vermutet. Die Grenze wird von einem Golfplatz gebildet.























Nach dem Fischbrunnen gab sich dieser Golferhahn natürlich einer gewissen Lächerlichkeit preis. Aber gerade darum habe ich mich reichlich bei den Tütenbechern bedient, und einen doch beträchtlichen Durst gelöscht.


















Ganz erschliesst sich mir dieser Sport jedoch nicht. Zum einten werden riesige Plätze errichtet, damit weit gegangen werden muss, dann gibt es aber Autos, damit eben nicht gegangen werden muss. Diese Autos sind aber nicht so schnell, dass es Spass machen würde, diese zu fahren, also könnte wieder gegangen werden.
























Die Deutsche Eiche.























Der Deutsche Zoll.























Die geleistete Strecke, per Auto.























Der Wanderer, beim Einschlag des Leistungssturzes.
(es mag jetzt wohl meinen einfach gestrickten Humor heraus streichen, aber die implizite flowerpower-super-ejakulationsmetapher bringt mich zum Schmunzeln.)


















Aber alles in allem war meine Stimmung noch so gut, dass ich dieses verabscheuenswürdige Stück Neubaudreck unkommentiert lasse.























Schlussendlich entschied ich mich, doch nicht nach Jestetten zu gehen, sondern es hier bei Lottstetten zu belassen.
Kurz vor dem Bahnhof kehrte ich noch auf einen letzten Schluck Brunnenwasser ein - wo mir dieser aussergewöhnliche Brunnenschmuck auffiel: Erich Fromm: Haben oder Sein.
Dankend lehnte ich das Angebot ab, ich wollte nur noch auf den Zug, aber die Leute vom Haus oben, sollten das Buch wohl mal lesen.


















Leistungsnachweis.
(Besonders stolz bin ich auf die Höchstgeschwindigkeit, das war wohl, als ich den landenden Flugzeugen nachgeschaut habe).



















Ha, doch noch nach Jestetten geschaft.
Frage: Da Lottstetten und Jestetten von der SBB bedient werden, dem schweizerischsten aller Schweizer Betriebe, können diese dann effektiv Deutschland sein?


















Auchnett.























In Schaffhausen gabs dann endlich die verdiente Belohnung.


















Auchnett zum Zweiten.


















Und jetzt ging alles im Schnellzugtempo zurück heim. 40 Minuten später lag ich zuhause in der Badewanne.